von Kristina Reiss
Es gibt fast so viele Bundesländer wie es Modelle für das Lehramtsstudium gibt. Insbesondere gibt es erhebliche Unterschiede, in welchem Umfang zukünftige Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen bzw. Gymnasien das Fach Mathematik und die zugehörige Fachdidaktik studieren. In manchen Ländern (z.B. Bayern, Nordrhein-Westfalen) muss jeder Studierende für das Lehramt an Grundschulen gewisse Veranstaltungen in Mathematik und Mathematikdidaktik belegt haben, in anderen Ländern reichen wenige Semesterwochenstunden, in denen Grundkenntnisse zum mathematischen Anfangsunterricht vermittelt werden (z.B. Baden-Württemberg, Niedersachsen). Manche Länder schreiben Mathematik in den Prüfungsordnungen noch nicht einmal in diesem Bereich zwingend vor (z.B. Schleswig-Holstein). In allen anderen Schulformen ist Mathematik eines der Fächer, das zusammen mit einem zweiten oder einem dritten Fach gewählt werden kann. Die möglichen Kombinationen unterscheiden sich dabei wieder erheblich von Bundesland zu Bundesland. Aber auch der Umfang und die Art mathematischer und mathematikdidaktischer Veranstaltungen ist in den verschiedenen Ländern äußerst unterschiedlich.
Vor diesem Hintergrund scheint es also zunächst notwendig zu sein, wünschenswerte Randbedingungen festzulegen, bevor über die Durchlässigkeit, d.h. vor allem über die Konzeption gemeinsamer Moduln für die Mathematikausbildung in den Lehramtsstudiengängen diskutiert werden kann. Im Folgenden gehe ich (stark vereinfachend) davon aus, dass zum einem die Ausbildung von Grund- und Hauptschullehrern und zum anderem die Ausbildung von Gymnasial- und Realschullehrern gewisse prinzipielle ähnlichkeiten aufweist. Diese Auffassung findet sich auch in den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur künftigen Struktur der Lehrerbildung.
Die mathematische Ausbildung von Realschullehrern und Gymnasiallehrern soll den Studierenden das Fach in vielerlei Hinsicht nahebringen. Ich schließe mich den Ausführungen der Kollegen Kramer und Warmuth an, dass es wesentlich darauf ankommt, eine verständnisorientierte Hinführung zum mathematischen Denken zu leisten und nicht nur Lösungsverfahren und Begriffsstrukturen einzuüben. Die Studierenden sollen mit einer lebendigen Mathematik in Berührung kommen und merken, dass Mathematik als Wissenschaft in steter Bewegung ist. Eine solche grundsätzliche Einstellung kann nicht nur in bestimmten Veranstaltungen gelernt werden, sondern sollte zum durchgängigen Prinzip der Mathematiklehrerausbildung werden. Dazu ist es zum einem nötig, eine gewisse Breite des Fachs zu vermitteln. Zum anderen ist es genauso wichtig, den künftigen Lehrerinnen und Lehrern spezifische Veranstaltungen anzubieten, in denen diese Sichtweite auf Mathematik explizit vermittelt wird. Es kommt also nicht nur darauf an, Inhalte für die Ausbildung festzulegen, sondern gleichzeitig ihre lehramtsgerechte Umsetzung im Blick zu behalten. Jede Aufstellung von Veranstaltungen steht und fällt damit, wie diese Veranstaltungen in die genannten Ziele eingepasst werden.
Legt man als inhaltlichen Kanon den Vorschlag des Kollegen Matzat für das gymnasiale Lehramt zu Grunde, so sind im Hinblick auf die Durchlässigkeit der Studiengänge doch relativ breite Abstriche bei Studierenden des Lehramts für Realschulen zu machen. So scheint es mir nicht nötig und nicht sinnvoll zu sein, Analysis II und Lineare Algebra II für diesen Adressatenkreis verpflichtend zu machen. Vielmehr käme es darauf an, in Einführungen zur Analysis und zur Linearen Algebra wesentlichen Inhalte in einer einsemestrigen Veranstaltung zu präsentieren. Im Rahmen der Sekundarstufe I werden nur wenige Inhalte dieser Vorlesungen tatsächlich benötigt, sodass das Ziel einer verständnisorientierten Hinführung zur Mathematik auch in anderen Bereichen geleistet werden kann, die von den Studierenden eher als schulrelevant akzeptiert werden. Eine Einführung in die Numerik oder Stochastik dürfte beispielsweise für den Personenkreis der angehenden Realschullehrer eine sinnvolle Veranstaltung sein, desgleichen eine Einführung in die Informatik oder auch in die Diskrete Mathematik. Wesentlich für das Grundstudium scheint mir darüber hinaus eine Veranstaltung zur Elementaren Zahlentheorie und zur (schulbezogenen) Euklidischen Geometrie zu sein, da diese beiden Gebiete in der Sekundarstufe I traditionell eine zentrale Rolle einnehmen. Die Zahlentheorie sollte möglichst auch Aspekte von Zahlbereichserweitungen umfassen. Im Grunde sind solche Veranstaltungen aber auch für Studierende des gymnasialen Lehramts geeignet. Es stellt sich dann eher die Frage, in wieweit für diesen Adressatenkreis der angebotene Stoff vertieft und erweitert werden sollte, um die Lehrerinnen und Lehrer für inhaltliche Fragen der Sekundarstufe II angemessen zu rüsten.
Die eben angesprochenen Bereiche Elementare Zahlentheorie und Euklidische Geometrie sind auch für Studierende der Lehrämter an Grundschulen und Hauptschulen von zentraler Bedeutung. In der Grundschule wird das Fundament gelegt für die Arbeit in der Sekundarstufe I, so dass es mir zwingend erforderlich scheint, eine gute, aber auch konkret auf die Schule bezogene Mathematikausbildung in diesem Bereich zu gewährleisten. Hier sind sicherlich tiefergehende fachliche Inhalte verzichtbar, viel mehr wird es darauf ankommen, das Verständnis für die schulrelevanten Inhalte von einem etwas höherem Standpunkt zu wecken. Angesichts der doch sehr unterschiedlichen Lehrpläne und der damit verbundenen Ziele des Mathematikunterrichts in Hauptschulen bzw. Realschulen und Gymnasien ist es fraglich, ob dabei gemeinsame Moduln genutzt werden können. Entsprechende Veranstaltungen für künftige Grund- und Hauptschullehrer sollten sicherlich in stärkerem Maße fachdidaktische Aspekte und fachwissenschaftliche Inhalte verbinden. Dies scheint mir insbesondere angesichts der zur Verfügung stehenden, doch sehr geringen Stundenzahlen unabdingbar zu sein.