Dresden, den 15.5.99
Das Mathematikstudium in seiner jetzigen Form mit dem Diplom als Abschluss hat sich über Jahrzehnte entwickelt und bewährt. Dies gilt auch für inzwischen etablierte Varianten wie Technomathematik oder Wirtschaftsmathematik. Das Diplom bildet den berufsqualifizierenden Abschluss des Mathematikstudiums; es ist die Grundlage einer möglichen Promotion und die bewährte Eingangsvoraussetzung in die verschiedensten Berufstätigkeiten des Mathematikers in Industrie, Finanzwirtschaft und Forschung. Die KMathF hat mehrfach betont, dass Absolventen der Diplomstudiengänge in Mathematik keine Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden, und erfolgreich in ihrem Beruf arbeiten. Unter diesem Aspekt der erfolgreichen Berufsqualifikation von Mathematikern besteht zunächst kein Anlass, in der Mathematik neue Abschlüsse zu diskutieren. Wenn solche neuen Abschlüsse dennoch geschaffen werden, sollten sie auf keinen Fall die Stellung des traditionellen Diplomstudiengangs gefährden und insbesondere nicht den Wert des Mathematik-Diploms herabsetzen.
Aspekte, die bisher für die Diskussion neuer Abschlüsse sprachen, waren zum einen die Möglichkeit, das Studium zwischen dem Vordiplom und dem Diplom zu beenden, ohne als Abbrecher zu gelten, zum anderen die Möglichkeit, nach dem Vordiplom bzw. Diplom das Studium im Ausland fortzusetzen. Diese Kompatibilität mit ausländischen Studiensystemen wurde häufig als Grund angeführt, Bachelor- und Masterabschlüsse anzubieten (dabei spielte wohl auch der Aspekt eine Rolle, dass man mit Bachelor- und Masterabschlüssen vermehrt ausländische Studierende für deutsche Universitäten anwerben möchte). Daneben werden aber in letzter Zeit von einzelnen mathematischen Fachbereichen neue Studiengänge diskutiert, die Mathematik mit den verschiedensten Anwendungsfächern kombinieren und im Rahmen eines 6-semestrigen Studiums zu einem Bachelorabschluss führen (z.B. Scientific Computing oder Computational Engineering). Angesichts der zunehmenden Mathematisierung aller Ingenieur- und Naturwissenschaften, der Informatik und insbesondere der Wirtschaftswissenschaften kann ein solcher Bachelor in Mathematik in Verbindung mit einem anschließenden Master in einem Anwendungsgebiet eine sinnvolle Kombination darstellen und den Interessentenkreis für eine Mathematikausbildung vergrößern, ohne den Kern der Studierenden der Mathematik zu verkleinern. Um die ersten der genannten Ziele zu verwirklichen (Zwischenabschluss für Abbrecher, Kompatibilität mit dem Ausland), wäre es nicht notwendig, einen separaten Bachelorstudiengang zu installieren, vielmehr könnte ein Bachelorabschluss im Rahmen des Diplomstudiums angeboten werden. Viele der jetzt schon vorliegenden und zum Teil genehmigten Modelle für Bachelorabschlüsse an den mathematischen Fachbereichen folgen deshalb auch diesem Prinzip und betten das Bachelorstudium in den bestehenden Diplomstudiengang ein. Für den zweiten genannten Aspekt (neue Studiengänge in der Mathematik bzw. neue Studiengänge mit einer Kombination aus Mathematik und Anwendungsfach) erscheinen separate Studiengänge schon sinnvoller, wobei hier der Aufbau über Bachelor und anschließendem Master gegenüber traditionellen Diplomstudiengängen den Vorteil größerer Kombinationsmöglichkeiten bietet.
Die Diskussion, ob Bachelorabschlüsse eher im Rahmen traditioneller Diplomstudiengänge oder in separaten Studiengängen angeboten werden sollten, ist durch die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom 5.3.1999 auf eine neue Basis gestellt worden. Nach diesen Beschlüssen sind Bachelor- und Masterabschlüsse grundsätzlich nur in eigenständigen Studiengängen erlaubt, die völlig separat von traditionellen Diplomstudiengängen angeboten werden müssen. Es wird allerdings erlaubt (vielleicht sogar gewünscht?), dass gleiche Studienangebote genutzt werden. Angesichts der KMK-Beschlüsse scheint es nicht mehr möglich, einen Bachelorabschluss im Rahmen eines Diplomstudiengangs vorzusehen oder umgekehrt eine Vordiplomsprüfung im Rahmen eines Bachelorstudiengangs zu fordern. Auch die zunächst naheliegende Vergabe eines Doppelabschlusses Diplom/Master am Ende eines Studiums ist durch die KMK-Beschlüsse ausdrücklich ausgeschlossen. Ein weiterer wichtiger Aspekt der KMK-Beschlüsse ist die Forderung, dass Bachelorstudiengänge und Masterstudiengänge grundsätzlich modularisiert und mit Credit Points versehen sein müssen. Ein traditioneller Studienaufbau mit Abschlussprüfung wird damit in diesen Fällen wohl nicht mehr genehmigt werden. Positiv zu vermerken ist, dass die KMK die Vergleichbarkeit von Bachelor-/Masterstudiengang auf der einen Seite und Diplomstudiengang auf der anderen Seite explizit hervorhebt. Zum einen bedeutet dies, dass Übergänge zwischen den beiden Ausbildungskonzepten in beiden Richtungen möglich sein sollen, zum anderen wird die Gleichwertigkeit des Diplomabschlusses mit dem Masterabschluss festgelegt.
Die folgenden Empfehlungen des Beirates an die Plenarversammlung der KMathF beziehen sich auf die KMK-Beschlüsse und konzentrieren sich deshalb auf die Aspekte von Bachelor- und Masterstudiengängen, die diese Vergleichbarkeit zum Diplomstudiengang betreffen. Der wesentliche Aspekt ist dabei die Sicherung der Qualität, die einen Übergang vom Bachelorstudiengang zum Diplomstudiengang und eine Vergleichbarkeit des Masterabschlusses mit dem Diplomabschluss garantieren soll.
Da ein Bachelorstudium (ebenso wie ein Masterstudium) nach den KMK-Beschlüssen in Zukunft nur noch in ganzjährigen Zyklen festgelegt werden darf, kommen für die Dauer des Bachelorstudiums nur 3 oder 4 Jahre in Frage. Ein 4-jähriger Ausbildungsgang liegt nahe, wenn ein Praktikum vorgesehen wird oder 1 bis 2 Auslandssemester eingebaut werden. Es ist aber zu beachten, dass ein auf das Bachelorstudium aufbauendes Masterstudium ebenfalls nur 1 bzw. 2 Jahre dauern darf. Im Hinblick auf die weiter unten diskutierte Vergleichbarkeit der Master-Thesis mit der Diplomarbeit erscheinen bei einem Master in Mathematik 2 Jahre unverzichtbar. Die Gesamtstudiendauer Bachelor/Master ist aber von der KMK auf 5 Jahre beschränkt worden, so dass sich damit eine 4-jährige Bachelorausbildung verbietet (jedenfalls dann, wenn an einen späteren Aufbau mit einem Masterstudiengang gedacht ist). Angesichts der Diskussion über die Berufsqualifikation eines Bachelorabschlusses einerseits und eines Diplomabschlusses andererseits erscheint es auch sinnvoll, den Unterschied zwischen diesen beiden Abschlüssen in der Studiendauer zu dokumentieren und den Bachelor nicht zu sehr in die Nähe des Diploms zu rücken. Geht man also von einem 6-semestrigen Bachelorstudium aus, so sollten die ersten 4 Semester in der Mathematikausbildung qualitativ dem Grundstudium zum Diplom entsprechen, der zugehörige Prüfungsanteil am Bachelorabschluss also auch mit dem Vordiplom vergleichbar sein (man beachte hier den oben angesprochenen Zwang der Modularisierung, der allerdings nicht so kritisch sein dürfte, weil das Grundstudium an vielen mathematischen Fachbereichen schon weitgehend modularisiert ist). Die Ausbildung im 5. und 6. Semester sollte so gestaltet sein, dass die Qualität eines Bachelorabschlusses dem Stand eines Studierenden am Ende des 6.Semesters im Diplomstudium entspricht. Dies würde zum einen den Übergang nach dem Vordiplom in den Bachelorstudiengang ermöglichen wie umgekehrt den Übergang nach einem Bachelorabschluss in den Diplomstudiengang. Im Hinblick auf die Möglichkeit, mit dem Bachelorabschluss in die Berufstätigkeit zu wechseln, sollte zusätzlich zu den modular abgeprüften Fachkenntnissen die Abfassung einer Bachelorarbeit (als Studien-, Projekt- oder Seminararbeit) verbindlich sein.
Für einen Masterstudiengang sind nach Beschluss der KMK 1 oder 2 Jahre Studienzeit vorgesehen. Angesichts der postulierten Gleichwertigkeit des Masterabschlusses mit dem Diplom sind im Hinblick auf die daraus folgende Vergleichbarkeit der Master-Thesis mit der Diplomarbeit 2 Jahre (also 4 Semester) unverzichtbar. Ein Masterstudium sollte deshalb qualitativ den letzten 4 Semestern eines Diplomstudiums entsprechen, also das entsprechende Studienangebot des Hauptstudiums nutzen. Als wesentlicher Bestandteil der Ausbildung und als Prüfungsleistung erscheint eine Master-Thesis unverzichtbar. Sie sollte in ihrer Qualität der Diplomarbeit entsprechen.
Falls eine Bachelor-/Masterausbildung parallel zu einem bestehenden Diplomstudiengang im Bereich der Mathematik angeboten werden soll, ergibt sich aus den aufgeführten Aspekten zwangsläufig eine Gesamtstudiendauer von 5 Jahren. Angesichts der von der KMK in ihren Beschlüssen geforderten Durchlässigkeit zwischen beiden Ausbildungskonzepten und im Hinblick auf die ebenfalls in den KMK-Beschlüssen festgeschriebene Vergleichbarkeit des Masterabschlusses mit dem Diplom, ergibt sich daraus die Konsequenz, dass auch das Diplom in Mathematik eine Studienzeit von 10 Semestern erfordert. Diese Forderung wird schon seit Jahren von allen Fachgremien (KMathF, DMV, Fachkommission Mathematik der HRK, Fachkommission Mathematik der GemKo) erhoben und wurde mehrfach inhaltlich begründet.